Presseartikel: Zürcher Oberländer

Schüchtern und bodenständig – so zeigt sich Reto im «Bauernkalender»

Mönchaltorf Kürzlich ist der «Bauernkalender 2024» erschienen. In der Sektion der Männer posiert auch ein Bauer aus Mönchaltorf.

 

Er schaffte es sogar aufs Titelbild

Mit lautem Bellen kündigt Hofhund Gino neuen Besuch an. Im Hintergrund des Gossauer Bauernhofs surren Maschinen, der Rasen vor dem Wohnhaus wird mit einem automatischen Rasenmäher geschnitten. Ringsum leuchten die Weiden in einem satten Grün, die schwarz-weiss gefleckten Kühe grasen friedlich vor sich hin.

Aus einem Stall tritt ein sportlicher Mann hervor, mit einem scheuen Lächeln und einem kräftigen Händedruck. Der 31-jährige Bauer heisst Reto Wintsch und hat für den «Bauernkalender 2024» posiert. Als Hund Gino ihn sieht, wird er ganz zutraulich. Die Gelassenheit des Bauern ist wohl ansteckend. Reto wirkt weder eingebildet noch eitel, sondern schüchtern und zurückhaltend.

 

Nicht ganz unproblematisch

Der «Bauernkalender» ist ein Erotikkalender, der Bäuerinnen und Bauern in aufreizenden Posen und knapper Bekleidung zeigt – sofern die Posierenden Kleidung tragen. Vergleichbar mit dem «Pirelli-Kalender», wo sich Frauen auf Fahrzeugen räkeln. Nur das hier eben Menschen aus der Schweizer Landwirtschaft vertreten sind.

Seit knapp 20 Jahren wird der Kalender bereits produziert. Anfänglich war er noch ausschliesslich mit Frauen besetzt. Doch seit sechs Jahren gibt es zu den «Girls» auch eine zweite Kategorie, nämlich die «Boys». «Nackt hätte ich mich auf keinen Fall gezeigt, dazu bin ich zu schüchtern », sagt Reto. «Ausserdem ist es nicht ganz unproblematisch, sich so zu präsentieren. Denn je mehr Haut man zeigt, desto grösser ist die Angriffsfläche und so verletzlicher wird man.»

Um die Teilnahme selbst habe er sich nicht bemüht. Eine Kollegin habe ihm gesagt, dass sie ihn anmelden werde. Er gab ihr die Erlaubnis und hat sich eigentlich nur von ihrem Engagement mitreissen lassen. Und er sei froh darüber, die Erfahrung sei ihm nämlich wertvoll. Reto Wintsch hatte den Gang zum Casting bloss nebenbei angetreten. Eigentlich war er mit seinem Göttibub unterwegs ins Verkehrshaus in Luzern. Tage zuvor wurde er ans Casting eingeladen, in welches es höchstens ein Drittel der Bewerber schafft. Gross darauf vorbereitet hat er sich dabei nicht.

Daniela Mayer, Projektleiterin des «Bauernkalenders», meint, dass es für die Jury gleich klar gewesen war, dass er in den Kalender muss. Reto Wintsch hat es aber nicht nur in den Kalender geschafft, sondern mit seinem Foto auch gleich aufs Titelbild der Ausgabe 2024.

«Haben Sie es gesehen?», fragt Mayer lachend. «Auch das war mir von Anfang an klar. Er ist ein Eyecatcher, und es wäre kein anderes Bild besser geeignet gewesen.» Da hat er sich wohl von seiner Schokoladenseite präsentiert.

 

Das Oberland als Heimat

Wintsch wohnt in Mönchaltorf und ist in Gossau auf dem Hof seiner Eltern aufgewachsen, auf welchem er noch heute arbeitet. Mit fünf Geschwistern sei immer etwas los gewesen. Er selbst hat zwar noch keine Familie, aber die Lebendigkeit um ihn herum schätzt er. Mittlerweile hat er acht Nichten und Neffen, die ihn regelmässig auf dem Hof besuchen.

In der Region ist er fest verankert. Von hier stammt seine Familie, hier ging er zur Schule, hier fühlt er sich zu Hause. «Ich liebe das Oberland. Es ist wunderschön hier.» Wie sein Vater ist Reto Milchbauer. Aber manchmal arbeitet er auch an einer Bar. Er habe sich für das Nachtleben entschieden, weil er gerne unter Leute gehe. «Als Bauer arbeitet man viel allein», sagt Wintsch. Das sei manchmal herausfordernd, deshalb sei ihm die zwischenmenschliche Arbeit wichtig.

 

Er will nicht klagen

Doch neben der Landwirtschaft und der Gastronomie ist der 31-Jährige ausserdem auch Landschaftsgärtner. «Es ist nicht einfach als Milchbauer, manchmal ist der Gewinn einfach nicht hoch genug.» Und damit meint Wintsch nicht etwa, dass er in Saus und Braus leben möchte, sondern bezieht sich auf die Kosten der Produktion.

Von den Fr. 1.60, die ein Liter Milch in der Migros oder im Coop koste, sehe der Bauer nicht viel. Denn die Aufwandkosten sind hoch: Futter, Unterhalt, Tierarztkosten. «Manchmal muss man auch ein bisschen draufzahlen, um die Produktion vorantreiben zu können.» Aber er beklagt sich nicht. Er ist glücklich mit seiner Arbeit. Er sei gerne auf dem Hof und liebe Tiere. Im Stall kommt ein Kälbchen auf ihn zu gerannt und lässt nicht mehr von ihm los. Auch Hund Gino gesellt sich freudig dazu.

Dass sich dieser bescheidene Mann in einem Erotikkalender zeigt, mag kontrovers erscheinen. Tatsächlich hat man den Eindruck, dass hier zwei Welten aufeinandertreffen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Models und Bauern. Doch Reto sieht das anders: «Models sind auch nur Menschen. Genauso wie wir Bauern. Woher wir kommen und was uns bewegt, ist doch unwichtig.»

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